Strategien von Täter*innen


Sexualisierte Gewalt ist nicht auf einen bestimmten Kontext oder Ort beschränkt: Sie kann in Familien oder Beziehungen geschehen, außerhalb von Beziehungen, on- und offline. Die Täter*innen benutzen oft bestimmte Strategien und meistens sind die Täter*innen Menschen aus dem näheren Umfeld, also z. B. Vereinen.


Spezialisierte Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt kennen sich besonders gut aus mit dem strategischen Vorgehen von Täter*innen und können bei der Einordnung von Erfahrungen und oder Beobachtungen helfen.

Oft nutzen Täter*innen spezifische Strategien, um sexualisierte Gewalt auszuüben. Täter*innen handeln also gezielt und geplant. Diese Strategien sind komplex und sie können sehr unterschiedlich sein. Deshalb ist sexualisierte Gewalt auch nicht unbedingt einfach zu erkennen. Fachkräfte in spezialisierten Fachberatungsstellen kennen sich mit den Strategien von Täter*innen aus und können dabei helfen, Verhalten oder Erfahrungen einzuordnen.
Beispiele für Taktiken von Täter*innen:

  • Ausnutzen von Machtverhältnissen: Täter*innen agieren in Kontexten, in denen sie Macht oder Kontrolle über die betroffene Person haben, z.B. in Beziehungen, in Familienstrukturen oder am Arbeitsplatz. Hierfür nutzen sie ihre Machtpositionen aus, die durch Alter, Geschlecht, soziale Stellung usw. begründet sind.
  • Manipulation: Täter*innen bauen mit Betroffenen ein Vertrauensverhältnis auf, um betroffene Personen durch emotionalen oder psychischen Druck zu isolieren und/oder zu kontrollieren. Hierfür stellen sich Täter*innen anfangs oft als freundlich, hilfsbereit und schützend dar.
  • Drohungen: Täter*innen zielen oft auf das Schweigen von Betroffenen, dafür nutzen sie psychische oder physische Gewalt. Einige Täter*innen bringen Betroffene dazu, intime oder sexuelle Aufnahmen von sich zu erstellen. Sie drohen dann damit, die Aufnahmen zu veröffentlichen und fordern weitere Aufnahmen oder sexuelle Handlungen ein. 
  • Verharmlosungen: Täter*innen sagen manchmal, dass die betroffene Person es „gewollt“ habe oder dass es sich um ein Missverständnis handele. Dadurch verharmlosen sie ihre eigenen Taten.

Wenn du ein ungutes Gefühl hast, kann es daher hilfreich sein, mit einer Person aus einer Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt zu sprechen. Du musst dir dafür nicht sicher sein, ob es sich tatsächlich um sexualisierte Gewalt handelt oder nicht.

 

Es gibt nicht die*den Täter*in sexualisierter Gewalt. Täter*innen haben ganz unterschiedliche soziale oder kulturelle Hintergründe.

Oft kennen sich Täter*innen und Betroffene bereits vor der Ausübung sexualisierte Gewalt und es bestehen Vertrauensverhältnisse: Familienmitglieder, Freund*innen oder Bekannte. Sie nutzen diese vertrauensvollen Beziehungen aus.

Täter*innen lassen sich keiner bestimmten Altersgruppe zuordnen.

Auch wenn die Mehrheit der Taten von Männern* bzw. von als männlich gelesenen Personen ausgeht, können Täter*innen jedem Geschlecht angehören. Die Dynamiken können allerdings je nach Geschlecht unterschiedlich sein.

Sexualisierte Gewalt kann ohne die Anwendung von körperlicher Gewalt geschehen. Dies ist darin begründet, dass Täter*innen häufig auf komplexe Strategien zurückgreifen: z.B. Grooming, Manipulation durch Machtverhältnisse oder nicht-konsensuelle Interaktionen.

Es ist wichtig zu betonen, dass nichts sexualisierte Gewalt und das Handeln von Täter*innen rechtfertigt. Die Schuld liegt immer und einzig bei den Täter*innen.

Für Kinder und Jugendliche haben Erwachsene eine besondere Verantwortung. Im Laufe des Aufwachsens erwerben Kinder und Jugendliche die unterschiedlichsten Fähigkeiten, dabei lernen sie auch Risiken und Gefahren kennen. Die Strategien von Täter*innen zu durchschauen kann schwierig sein, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Daher ist es auch die Aufgabe und Verantwortung von Erwachsenen, Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen.

Sexualisierte Gewalt kann jeder Person widerfahren. Betroffenheit macht dich nicht zu einer schwachen Person.

Um sich zu schützen, kann es hilfreich sein, besonders gut auf das eigene Gefühl und die eigene Wahrnehmung zu hören. Wenn du dich in einem bestimmten Umfeld oder in einer Situation nicht wohl fühlst, höre auf dein Gefühl. Wenn du das Gefühl hast, dass deine Grenzen nicht ernstgenommen werden, löse dich, wenn möglich, aus der Situation. In einer Fachberatungsstelle kannst du auch mit einer Fachkraft gemeinsam überlegen, wie du aus Situationen entkommen kannst.

Mit Grooming wird eine spezifische Strategie von Täter*innen beschrieben. Es beschreibt das gezielte Vorbereiten von sexualisierter Gewalt. Beim Grooming wird eine, oft jüngere, betroffene Person gezielt emotional und psychisch manipuliert, um sexuelle Übergriffe zu erleichtern. Grooming geschieht in mehreren Schritten, um das Vertrauen der betroffenen Person und oft auch ihres Umfeldes zu gewinnen.

Der Prozess von Grooming hat mehrere Schritte:

  1. Auswahl einer Person
  2. Annäherung
  3. Vertrauensaufbau
  4. Isolierung
  5. Sexualisierung
  6. Aufrechterhaltung und Kontrolle

Wenn Grooming von Täter*innen online ausgeführt wird, wird häufig der Begriff Cybergrooming benutzt. Durch soziale Medien kann es für Täter*innen einfacher sein, eine Vielzahl von Kontakten aufzubauen. Das Ziel kann hier ein sexueller Kontakt bei einem Treffen sein, aber auch der Austausch von sexuell expliziten Aufnahmen und Chats im digitalen Raum.

Täter*innen, die das Internet zur Anbahnung oder Ausweitung von Sexualdelikten nutzen, sind nicht zwangsläufig anonyme im Sinne von unbekannten Personen.

Sexualisierte Gewalt ist häufig schwer zu erkennen. Egal, ob du selbst betroffen bist oder sie beobachtest/mitbekommst. Sie kann ganz verschiedene Formen annehmen und zudem handeln Täter*innen oft strategisch.

Es gibt jedoch Anzeichen, die auf sexualisierte Gewalt hinweisen können:

  • Körperliche Hinweise, wie äußerliche Verletzungen oder andere körperliche Anzeichen, die auf Gewalterfahrungen hindeuten können
  • Verhalten, insbesondere Veränderungen im Verhalten, wie Rückzug, Ängste, Depressionen oder Isolation
  • Manipulation in Beziehungen, wie das Kontrollieren einer Person durch eine andere durch emotionalen oder psychischen Druck
  • (Wiederholtes) Überschreiten von persönlichen Grenzen, z.B. durch sexualisierte Äußerungen oder sexuelle Anspielungen und Handlungen
  • Drohungen, wie beispielweise Einschüchterungen oder die Androhung psychischer oder physischer Gewalt
  • Verharmlosungen, wie die Bagatellisierung oder Rechtfertigung von unangemessenem Verhalten
  • Erzeugen von Geheimhaltungsdruck, wie die Bitte darum bestimmte Themen nicht (mit anderen) zu besprechen

Wenn du den Verdacht hast, dass eine Person sexualisierte Gewalt erfahren hat, kann es hilfreich sein, Unterstützung anzubieten und, auch gemeinsam, professionelle Hilfe zu suchen. Es ist wichtig, sensibel mit diesen Themen umzugehen und Betroffenen zuzuhören.

Wenn du selbst ein ungutes Gefühl hast, bleibe damit nicht allein. Sprich Personen aus deinem Umfeld, Freund*innen, Familie oder andere Personen an. In einer spezialisierten Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt findest du vertraulich und kostenlos Unterstützung. Egal, ob du selbst oder eine andere Person betroffen ist oder auch nur denkst, es sein zu können. Ein ungutes Gefühl, eigene Fragen oder Unsicherheiten reichen aus, um eine Beratung in Anspruch nehmen zu können.

Manchmal können die Strategien von Täter*innen erst später oder rückblickend erkannt werden. Es kann schwer sein, sexualisierte Gewalt oder die dahinter steckenden Strategien zu erkennen. Fachkräfte in einer Beratungsstelle sind spezifisch dafür ausgebildet, das planvolle Handeln von Täter*innen zu erkennen und können so bei der Einordnung von Vorfällen und Erfahrungen helfen.

In allen sozialen Beziehungen spielen Machtverhältnisse eine Rolle. Sie können entscheidend für das Handeln und die Entscheidungen von Menschen sein. Machtungleichgewichte zeigen sich an typischen Orten wie Schule oder Arbeitsplatz. Gefährlich ist dies, weil die mächtigeren Personen ihre Stellungen nutzen können, um zu bekommen, was sie möchten oder um andere zu manipulieren.

Macht und Autorität sind ein fruchtbarer Boden für sexualisierte Gewalt. Denn die Täter*innen nutzen diese, um die Betroffenen durch unterschiedliche Strategien in ihrer Handlungsfähigkeit einzuschränken. Ihr Ziel ist es, Betroffenen es zu erschweren, sich aus der übergriffigen Situation zu befreien oder anderen davon zu berichten.

Es kann aber auch ein empowerndes Moment aus Macht- und Autoritätsverhältnissen hervorgehen: Menschen können sich zusammenschließen und Widerstand gegen bestehende Verhältnisse leisten. Selbstorganisierte Gruppen und Initiativen können Personen dabei helfen, ihre Stimme zu erheben und gemeinsam etwas zu verändern. Auf unserer Website kannst du mehr über Empowerment und Selbstorganisation erfahren.

Personen, die deine Grenzen respektieren, werden dir zuhören und auf das reagieren, was du sagst. Sie werden nach deinen Wünschen und Bedürfnissen fragen, anstatt Annahmen darüber zu treffen. Konsens ist wichtig: gemeinsamen Aktivitäten oder (sexuellen) Interaktionen liegt ein gegenseitiges Einverständnis zugrunde. Es ist möglich oder wird möglich gemacht, offen über Grenzen zu sprechen, ohne dass du Angst vor negativen Reaktionen haben musst.

Personen, die deine Grenzen nicht achten und diese überschreiten, werden eher nicht beachten, was du sagst oder so tun, als würden deine persönlichen Grenzen nicht existieren. Du könntest außerdem das Gefühl bekommen, dass du unter Druck gesetzt wirst, etwas zu tun, was du nicht willst. Die Personen handeln oft widersprüchlich, indem sie sagen, dass sie deine Grenzen respektieren, dann aber anders handeln. Solche Personen können ein Unbehagen in dir auslösen oder dass du dich unsicher fühlst. Die Person löst in dir das Gefühl aus, dass du für deine Grenzen schuldig bist oder dass diese nicht gerechtfertigt sind. Das stimmt aber nicht. Nimm diese negativen Gefühle ernst.

Vertraue deinem Bauchgefühl. Es gibt dir einen wichtigen Hinweis darauf, ob etwas stimmt oder nicht stimmt.

Sprich mit anderen über deine Wahrnehmung. Dies kann eine Vertrauensperson aus deinem Umfeld sein oder eine professionelle Fachberatung in einer spezialisierten Beratungsstelle.

Versuche dir deiner Grenzen bewusst zu werden. So merkst du unter Umständen eher, wenn eine Person sie nicht ernstnimmt oder überschreitet. Auch hierbei können Gespräche mit Vertrauenspersonen oder Fachkräften hilfreich sein.

Wenn du das Gefühl hast, dass deine Grenzen überschritten werden, sprich das an und hole dir bei Bedarf Unterstützung. Du hast ein Recht auf Unterstützung in solchen Situationen. Ein Beratungsangebot in Fachberatungsstellen steht dir vertraulich und kostenlos zu.

 

Nein, auch in einer Partner*innenschaft bist keiner Person etwas schuldig. Du entscheidest, was sich für dich gut und richtig anfühlt.

Niemand hat jemals und in keiner Situation oder Beziehung das Recht dazu, dich zum Sex zu überreden, zu nötigen oder gar zu zwingen.

Was genau Sex ist, dazu gibt es verschiedene Auffassungen. Du entscheidest für dich und deinen Körper, ob und was du willst. Für manche Personen ist anfassen und küssen eine sexuelle Handlung, für andere nicht. Deshalb ist es wichtig, darüber zu sprechen, was gefällt und ob Einvernehmlichkeit hergestellt werden kann.

Das Magazin pinkstinks.de hat ein paar Fragen zusammengestellt, die du z. B. nutzen kannst, um Einvernehmlichkeit vor oder in sexuellen Interaktionen sicherzustellen.

  • Darf ich dich küssen?
  • Gefällt es dir, wenn ich …?
  • Erzähl mir, worauf du Lust hast.
  • Soll ich weitermachen?
  • Was wünscht du dir gerade?
  • Wie weit willst du gehen? 

Zustimmung braucht es, wenn Menschen gemeinsam etwas machen. Das gilt auch für Sex und andere Formen körperlicher Nähe. Zum Beispiel ist es Zustimmung, wenn du sagst: „Ja, ich möchte das.“

Um etwas gemeinsam zu tun, braucht es die Zustimmung aller Beteiligten. Dabei muss die Zustimmung freiwillig, bewusst, klar und aktiv sein. Nur dann ist es Konsens. Manche nennen es auch Einvernehmlichkeit.

Es gibt Situationen, in denen Menschen nicht zustimmen können, z. B. wenn sie sehr müde, betrunken oder emotional aufgewühlt sind. Achte auf deine Grenzen und die Grenzen anderer. Nein heißt nein. Achte auch auf Körpersprache. Wenn du unsicher bist, frag lieber nach. Und denk dran: nur weil du einmal zugestimmt hast, heißt das nicht, dass sich das nicht ändern darf. Wenn du merkst, dass sich etwas für dich nicht gut anfühlt, kannst du die Situation unterbrechen. Das ist immer okay.


Beispiel:

Ein Freund fragt dich nach einer Umarmung. Du kannst bestimmen, ob du in den Arm genommen werden möchtest oder nicht.

Du bist auf einer Party mit einer Person, die du küssen möchtest. Sie ist betrunken und deshalb nicht in der Lage, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Frag sie also wann anders.


Frage dich selbst:

  • In welchen Momenten möchtest du mehr auf Konsens achten?
  • Wie kannst du deine Grenzen und Bedürfnisse spüren?

Quelle:

Queere Bildung e.V.